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In Gedenken an Jana Ployar

Jana Ployar ist im Oktober 2011, wenige Tage nach ihrem 50. Geburtstag, gestorben. Acht Jahre vorher hat sie über sich, ihre alte Heimat Tschechien und ihre neue Heimat Franken gesprochen. 

"Amerika ist in Tschechien immer noch das Beste, ein Traum"

Jana Ployhar kam vor 17 Jahren mit einem Diplom als Lehrerin nach Deutschland, das niemanden interessierte. Heute ist sie Krankengymnastin in einer Lichtenfelser Praxis.

VON TIM BIRKNER

LICHTENFELS / PRAG - "Damals konnte ich nur Guten Tag auf deutsch, sonst nichts", sagt die 42-jährige Tschechin Jana Ployhar heute. Damals, das war im Juni 1987, vor 17 Jahren. Damals kam sie zusammen mit ihrem Mann Petr mit einer Reisegruppe nach Deutschland. Von hier aus sollte es in ihr Traumland weitergehen: Amerika. Englisch konnte sie, in Englisch hatte sie Abitur gemacht.

Heute ist Lichtenfels ihre Heimat. Hier hat sie ihre Tochter Anna vor 11 Jahren geboren, hier genießt sie die Natur, die sie an Tschechien erinnert, hier lobt sie die Sauberkeit, die sie in Tschechien oft vermisst. "Hier habe ich meinen Sportverein, meine Freunde und meine Arbeit", sagt sie und freut sich, ihre Heimatstadt Prag in drei Stunden zu erreichen. "In Vierzehnheiligen oder in Bamberg haben die gleichen Architekten geplant, die auch in Prag gebaut haben. Auch die Biergärten hier erinnern mich an Prag." Prag, das war die Stadt, von der sie damals dachte, sie würde sie nie wieder sehen; ebenso wie ihre Familie und ihre Freunde.

"Ich verstehe ja, dass du weggegangen bist", sagte ihr Vater zu ihr, "aber musste es wirklich Deutschland sein?" Die Erziehung in Tschechien, sagt Ployhar, sei in die Vergangenheit gerichtet gewesen. "Die Deutschen, das waren diejenigen, die den Krieg angezettelt hatten", erinnert sie sich. Doch Deutschland war das erste Land, in das sie kamen, und damit das Land, in dem sie anfangs bleiben mussten. Jedes andere Land hätte die beiden jungen Tschechen zurück nach Deutschland abschieben können. "Das war damals einfach so." Erst als ihre Eltern sie im Herbst 1987 besuchten, wurde ihnen klar, dass die deutschen Freunde ihrer Kinder "ganz normale, nette Menschen" sind.

Herbst 1987, das war noch vor der Wende. Das war die Zeit "als man im Gasthaus noch Angst haben musste, seine Meinung zu sagen. Man wusste nie, wer hinter einem saß." Diese Leute haben Jana Ployhars Eltern ausgefragt, bevor sie nach Deutschland kommen durften. "Sie sollten versuchen, uns zurück in die Tschechoslowakei zu holen", erzählt Ployhar, "das war die einzige Möglichkeit für sie, uns in Deutschland zu besuchen."

"Nach der Wende wären wir nicht mehr gekommen", überlegt die 42-Jährige. Mit 25 Jahren hat sie ihren Uni-Abschluss gemacht und sich auf eine Laufbahn als Sport- und Biologielehrerin am Gymnasium eingestellt. Doch erst nach dem Studium wurde ihr klar, dass nur diejenigen eine Stelle bekamen, die auch in der Kommunistischen Partei waren. "Ich werde nie in irgendeine Partei gehen", sagt sie nach wie vor. Doch damals war dies eine berufliche Sackgasse. Damals wurde sie an eine Grundschule versetzt und auch ihr Mann eckte als Bauingenieur bei seinem Arbeitgeber an, weil er seine Meinung sagte.

Heute wechselt Jana Ployhar ihren Arbeitgeber ganz selbstverständlich, weil sie eine neue Herausforderung sucht. Heute ist sie Krankengymnastin und erinnert sich nur ungern an ihre erste Zeit in Deutschland. "Nach einem Jahr haben wir eine Arbeitsgenehmigung bekommen. Das Arbeitsamt bot mir eine Stelle an, wo ich Stoffe zuschneiden sollte." - Sie war Lehrerin, ihr Diplom gerade einmal zwei Jahre alt. "Wir hatten keine Ahnung, was uns in Deutschland erwarten würde", sagt sie. Das Jahr in dem Asylsuchende nicht arbeiten dürfen, hatte sie genutzt, um Deutsch zu lernen. "Wir haben gehofft, dass alles, was kommen wird, besser werde. Nicht in materieller Hinsicht, sondern das, was wir uns unter der Freiheit vorgestellt haben", sagt Ployhar im Rückblick.

"Als wir das erste Mal nach der Wende in Prag waren, war das schon überraschend", sagt sie. "Prag kam uns schmutziger, kleiner und anders vor, als wir es erinnerten. Man bleibt in der Erinnerung wohl bei den schönen Sachen." Mit der Entwicklung zur Touristenstadt habe sich bis heute in dieser Hinsicht sehr viel gebessert.

Heute hätten die Deutschen häufig Angst, dass ihnen tschechische oder polnische Menschen die Arbeit wegnähmen, wenn die Europäische Union am 1. Mai erweitert wird. "Die Tschechen haben Angst, dass die Deutschen Fabriken kaufen, sie nach kurzer Zeit schließen und nur noch ihre West-Produkte verkaufen." Jana Ployhar weiß, dass sie aus der tschechischen Hauptstadt kommt, in der es den Menschen in Prag deutlich besser geht, als im übrigen Tschechien. Sie weiß, dass die Lage in den ländlichen Gegenden oft denkbar schlechter ist: "Da gibt es oft nur eine Fabrik und wenn die zumacht, dann wissen die Leute nicht wohin."

Heute beobachtet sie bei den Deutschen, dass sie sich mit Veränderungen schwer tun. "Manche Leute sind a weng verwöhnt", sagt sie mit tschechisch-fränkischem Akzent. "In Tschechien musste man sehr viel selbst schaffen." Einerseits. Anderseits sieht sie auch die tschechischen Kommunisten heute politisch erstarken, "weil viele mit dem Umbruch nicht zurecht kamen. Plötzlich mussten sie sich selbst organisieren, sich selbst um alles kümmern." Dies gebe heute denen Auftrieb, die die geplanten Lebensläufe von gestern zurücksehnen.

"Ordnung halten, sich gut benehmen oder in den Läden die Kunden freundlich bedienen, da können die Tschechen noch etwas von den Deutschen lernen", sagt die Lichtenfelserin. "Doch im täglichen Leben kann ich kaum noch Unterschiede feststellen", fügt sie an.

Jana Ployhar denkt in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Und wenn sie es doch tut, dann fühlt sie sich manchmal "ein bisschen heimatlos". Sobald sie bei ihren tschechischen Verwandten und Freunden ihre alte Heimat kritisiert, ist sie die Deutsche. Und hier ist sie auch nicht "hundertprozentig zu Hause". In ihrer alten Heimat Tschechien lernen die Kinder und Jugendlichen weiter begeistert Englisch. "Amerika", sagt Ployhar auch heute noch, "ist das Beste in Tschechien, einfach ein Traum."

Ihr Vater hat sich mit 58 Jahren auch noch einen Traum erfüllt. Er hat sich in Prag selbstständig gemacht. Heute ist er 72 und arbeitet immer noch. Der Traum "Amerika" ist für Jana Ployhar inzwischen ausgeträumt. Sie genießt es, "hier in der wunderschönen Gegend" zu leben und dennoch nah an Prag zu sein, ihre Eltern zu besuchen, in Ausstellungen oder Konzerte zu gehen; wenigstens zwei-, dreimal im Jahr. "Aber irgendwann einmal möchte ich schon noch nach Amerika reisen."

Neue Presse, 14. Februar 2004


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