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So ein schöner Ort

So ein schöner Ort

 

Rauschende Wasserfälle, tropische Vögel und ein ehrwürdiges Hotel aus dem vorigen Jahrhundert. Hier begegnen sich die gefeierte Sängerin Maddalena und der Gehirnforscher Sonnabend. Die beiden verlieben sich, und alle Weichen für ein glückliches gemeinsames Leben scheinen gestellt. Bis Sonnabend erkennt: Maddalena ist unheilbar krank. Sie leidet an Gedächtnisverlust, und der Fachmann Sonnabend kann ihr nicht helfen. Zunächst ist Sonnabend verzweifelt. Wie kann man jemanden lieben, der ausschließlich im Hier und Jetzt lebt? Was ist das für eine Beziehung, von der nur einer der beiden die Kategorien Vergangenheit und Zukunft kennt? Wie hält man das aus, wenn einen der Mensch, den man liebt, jeden Tag neu kennenlernen muß? Muß man nicht selbst verrückt werden, wenn sich der Mensch, mit dem man glückliche Stunden verbringt, an kein gesprochenes Wort und keine zärtliche Geste erinnern kann? Die Zeit hat keine Macht über Maddalena. Sonnabend leidet mehr als sie, die von all dem nichts weiß, und hadert mit dem Schicksal. Er kann Maddalena ihr Gedächtnis nicht zurückgeben, und er kann auch nicht - wie Maddalena - nur im Hier und Jetzt leben. ,,Die Liebe ist in erster Linie ein gegenseitiges Erzählen, ein Erzählen der eigenen Liebe. Die Hälfte der Zeit ist man zusammen, und die andere Hälfte denkt man zurück an die Zeit, als man zusammen war, und auch wenn man zusammen ist, erzählt man sich die Hälfte der Zeit davon, daß man ein anderes Mal zusammen war. Also bestehen drei Viertel aus dem Erinnern und ein Viertel aus dem Zusammensein. Das ist die Liebe", philosophiert Sonnabend und leidet darunter, daß ihm diese drei Viertel in der Beziehung mit Maddalena fehlen. ,,So ein schöner Ort" ist Fabrizio Rondolinos erster Roman. Rondolino ist ein großer Erzähler. Sein Stil ist poetisch. Es ist ein Genuß, seinen Überlegungen und Beschreibungen von Seite zu Seite zu folgen. Lediglich zwei Passagen sind wenig gelungen: Zum einen die weitschweifigen Schilderungen der Flora und Fauna des argentinischen Urwaldes, in denen mit Rondolino seitenweise die Lust am Fabulieren durchgeht. Zum anderen enthält das Buch eine Literaturliste mit Fachbüchern zum Thema Gedächtnisforschung. Sonnabend wägt die Titel gegeneinander ab: Könnten die Erkenntnisse Maddalena heilen helfen? Auf diesen Seiten verläßt Rondolino das Genre Roman bzw. scheitert am Experiment, die Sprache einer wissenschaftlichen Abhandlung und seine Erzählkunst zu vermischen. Zwei Passagen, die ohne weiteres überblättert werden können. Denn die zentrale Frage des Romans ist mehr als interessant: Ist ein Leben ohne Erinnerungen möglich? Zunächst hat Sonnabend Mitleid mit Maddalena, und dem Leser geht es genauso. Dann bemitleidet der Leser Sonnabend: Wie schrecklich, wenn der Mensch, den man liebt, jeden Tag aufs neue fragt ,,Kennen wir uns?" Und ganz allmählich fragt man sich, ob Maddalena nicht vielleicht zu beneiden ist. Alles, was sie erlebt, erlebt sie zum ersten Mal: Jeder Schluck Champagner ist der erste und jeder Sonnenuntergang unvergleichlich. Alles ist neu, und das jeden Tag wieder. Muß es nicht herrlich sein, wenn jeder Kuß der erste ist? Spätestens auf der letzten Seite nimmt man sich vor, öfter einmal der Maddalena in einem zu vertrauen als dem Sonnabend.

 

Fabrizio Rondolino: So ein schöner Ort (223 Seiten). Malik im Piper Verlag 1998.