5. August 2010
Coburg – Pünktlich steigt Klaus Rössner von der Firma Fricke aus Neustadt aus seinem orangenen Spülwagen. Ein Kollege, eine Kamera, zwei Schlauchtrommeln, zwei Pumpen und 3000 Liter Wasser – damit löst er fast alle Probleme. Heute ist Rössner in Coburg. Privathaus, Eigentumswohnungen, keine Pläne, wie die Leitungen liegen. Eine Baufirma hat bereits einen Teil alter Steinrohre gegen moderne PVC-Rohre getauscht. Heute wird gespült, der Regen der letzten Tage hat offenbart, dass doch noch nicht alles so reibungslos abfließt, wie gewünscht. Rössner blickt entweder seinem Kunden ins Gesicht, oder auf den Boden. Er muss Kanaldeckel nicht suchen, er findet sie. Ebenso schnell peilt er die Lage: Von wo nach wo laufen die Leitungen. Deckel auf, Absperrhütchen, Wasserschlauch, Fernbedienung für die Pumpe.Ruhig spricht er über alte Bäume auf dem Grundstück, die mit ihren Wurzeln in die alten Steinrohre gekrochen waren und mit ihrem Laub den Dachrinnen zusetzen. Flink klettert er dabei in einen der Schächte und führt den Spülschlauch in die Leitung. Vorne schraubt Rössner einen Spülkopf auf, der den Wasserstrahl rotieren lässt und gleichzeitig den Schlauch vorantreibt. Ein Knopfdruck auf die Fernbedienung, und die Pumpe startet. 150 bis 180 Bar Wasserdruck machen den Weg frei. „Wer denkt, das geht auch mit dem Hochdruckreiniger aus der Garage, der irrt“, sagt Rössner, „dort kommen vielleicht zehn Liter Wasser pro Minute, wir spülen mit 80 bis 90 Litern.“ Die Menge macht´s. Es gurgelt, Wasser sprudelt aus der Öffnung, staut sich in den Schacht, in dem Rössner sitzt. Dann zischt es kurz, der Spülkopf ist durch, die Leitung frei und das Wasser läuft wieder ab.Rössner geht es nicht schnell genug. „Das Wasser läuft zu langsam ab. Die Leitung hat ein Gegengefälle“, stellt er fest. Wo, das wollen er und sein Kollege herausfinden. Taschenlampe, Schraubenschlüssel. Auf der anderen Hausseite öffnen sie den Zugangsschacht in den Kriechkeller. Es riecht modrig. Es ist dunkel. Es ist niedrig. Die Abwasserrohre liegen auf der Erde. Etwas huscht. Rössner krabbelt hinein und verschwindet samt Taschenlampe im Dunkel.„So wie die Leitung liegt, steht immer Wasser drin – das ist nicht gut.“ Der Eigentümer ist froh, den Grund nun zu kennen – und nicht selbst mit in den Kriechkeller krabbeln zu müssen.Rössner spült seit neun Jahren Kanäle und es ist ihm noch nicht zuwider. „Jeder Fall ist anders. Manche Kanäle sind gerade zwei Jahre alt und schon wieder kaputt“, berichtet er von seinen Kamerafahrten. Andere sind bereits 30 Jahre alt und immer noch in Ordnung. „Ich habe mit Leuten zu tun und bin draußen“, das freut ihn an seinem Beruf. „An den Geruch habe ich mich gewöhnt.“ An den Anblick auch. Halbe Klöße, Salat und Fleisch, alles landet im Ausguss – und zieht die Ratten an. Rössner rät von Eigeninitiative ab. Immer dann, wenn Fäkalien oder Fette die Leitung verstopfen, kann es auch gefährlich werden. Jede Menge Bakterien verbreiten Krankheiten. Immer Handschuhe, Desinfektionsmittel nach jedem Einsatz und spezielle Impfungen, das ist Rössners Rezept, um verschont zu bleiben. Bislang mit Erfolg.Ein paar Tipps hat Rössner noch für den Eigentümer, damit weniger Erde und Steinchen in den Kanal gespült werden – und er nicht so schnell wieder kommen muss. Dann schließt er die Kanaldeckel wieder, trommelt die Schläuche ein und fährt zum nächsten Kunden.
Tim Birkner