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Ein-Euro-Job für die Kultur

Roland Timmig bringt Kunst in leere Läden, wie hier die Fotos von Konrad Fischer in der Kirchstraße. Das war sein Ein-Euro-Job, der ihm Selbstwertgefühl gab. Nun zahlt ihm die Stadt ein Honorar in gleicher Höhe. FOTO: TIM BIRKNER

8. Juni 2006

Roland Timmig ist 47. Er bekommt Arbeitslosengeld II und sagt: ?Ich bin doch sozial nicht doof, ich bin wach.? Viele Neustadter kennen ihn und sein Fahrrad, weil er seit zwei Jahren die ?Kunst in leeren Läden? organisiert. Das ist sein Ein-Euro-Job, der genau genommen 1,50 Euro in der Stunde bringt, 32 Stunden in der Woche.

Als Kulturmanager kann er sich besser bewerben, glaubt Timmig. Er muss eine Bewerbung pro Woche schreiben, so verlangt es die Agentur für Arbeit von ihm. Anderenfalls werden seine 345 Euro, die er nach Hartz IV bekommt, gekürzt. Cottbus, Rostock, Greifswald: flächendeckend hat er sich als Kulturorganisator beworben. Meist ist nicht einmal eine Absage gekommen. Nichts.

Die ?Kunst in leeren Läden? hebt Timmigs Selbstwertgefühl: ?Ich habe ein Büro. Ich habe eine E-Mail-Adresse. Da bin ich etwas.? Er bekommt für seine Arbeit nur positive Resonanz, auch wenn es wenige sind, die zu den Ausstellungen kommen. ?Keine Resonanz wäre das Schlimmste?, weiß Timmig, der auch Architekt und Maler ist. ?Wenn ich Bilder male, ist es noch viel härter?, sagt er.

Er beobachtet seine Umwelt genau und vieles kennt er aus eigener Erfahrung. Zum Beispiel das Gefühl, wertlos zu sein. ?Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit machst du alles. Wenn einer sagt, heb´ die Blätter einzeln auf, dann tust du es.? Diese Menschen freuten sich über jede berufliche Ansprache, sagt Timmig und freut sich selbst.

?Unten? kennt sich Timmig aus. Unten, im Keller des Rathauses, hatte er im Archiv seinen ersten Ein-Euro-Job. Heute sitzt er im ersten Stock. Unten ist auch seine Heimatstadt, die er mit 17 verließ und in die er mit 44 Jahren wieder zurückkehrte, als er ganz unten war.

?Neustadt wird in der Hirarchie ganz unten wahrgenommen?, beobachtet er. ?Unten durch? war er für seine Mutter, als sie erfuhr, dass ihr Sohn Sozialhilfe bekommt.

Heute geht er aktiv mit seinem sozialen Status um: ?Ich bin ALG-II-Empfänger, da mache ich Rabatz.? Timmig hofft, dass er Nachahmer findet, denn das Outing sei schwer. ?Viele trauen sich nicht an der Kasse zu sagen: Ich bin ALG II, gibt es Rabatt??

Vergangene Woche wurde ihm das Arbeitslosengeld ganz gestrichen. ?Jetzt bin ich Privatier?, sagt Timmig, ?denn ich habe geerbt.? Das Jobcenter der Agentur für Arbeit hat auf eine sofortige Auflösung des Ein-Euro-Vertrages bestanden. Das wäre das Ende der ?Kunst in leeren Läden?. Mit der Stadt hat Timmig daher einen Werkvertrag vereinbart. Die Basis sind 1,50 Euro pro Stunde. ?Das ist eine Geste der Stadt, die zeigt, dass ihr das Projekt wichtig ist.?

Timmigs Prinzip lautet: Es darf nichts kosten. Dem ordnet er sich auch selbst unter. Gerade hat er das Angebot einer Malerin aus Lauf bei Nürnberg. Sie würde ihre Bilder in Neustadt ausstellen. Die einzige Bedingung: Es muss jemand die Exponate abholen. Daran scheitert es bislang noch, Timmig sucht noch jemanden, der die Fahrtkosten bezahlt. Der Ein-Euro-Kulturmanager macht weiter: ?Letztendlich tue ich es, weil ich es gerne tue. Ökonomisch ist es Unsinn.?

 

 


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